ADFC-Fahrradklima-Test 2020: Erneut schlechtes Radfahr-Zeugnis für München

Aufmacher Pressemitteilung

Die Landeshauptstadt schneidet in der Bewertung erneut eher schlecht ab, macht aber trotzdem zwei Plätze im Ranking gut. Grund: München verbessert sich geringfügig und kann so zwei Konkurrenten abhängen.

Pop-up-Radweg in der Zweibrückenstraße

München, 16.3.2021 – Die Landeshauptstadt München schafft es trotz wenig erfreulicher Gesamtnote von 3,84 auf Platz 4 des bundesweiten Rankings. Das zeigen die Ergebnisse des heute vorgestellten Fahrradklima-Tests 2020 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Im Herbst 2020 waren bundesweit alle Radler:innen aufgerufen, die Fahrradfreundlichkeit ihrer Stadt oder Gemeinde zu bewerten. Ergänzend zu den 27 Standardfragen zur Bewertung der Radverkehrsbedingungen wurden diesmal fünf Zusatzfragen zum Thema „Corona & Radfahren“ gestellt.

Ergebnisse der Landeshauptstadt München
In München gaben 3155 Radler:innen ihr Votum ab – rund 350 mehr als 2018. Dabei ist München zwar auf Platz 4 der 14 deutschen Großstädte mit über 500.000 Einwohnern gelandet, hat sich aber in der Gesamtbewertung mit einer Note von 3,84 nur geringfügig verbessert (2018: Platz 6, Note 3,99). Zwei Plätze hoch geht’s für München dennoch, da Leipzig und Dresden sich nicht steigern konnten bzw. zurückgefallen sind. Bei den fünf Zusatzfragen zu „Radfahren & Corona“ kommt München mit der Note 2,96 sogar auf Platz 2 bundesweit.

Lahme Radentscheid-Umsetzung der Stadt
Die Gründe für das erneut schlechte Abschneiden bei der Bewertung der Landeshauptstadt München (Gesamtnote 3,84) sind nach Einschätzung des ADFC München klar: Münchens Radler:innen nehmen deutlich wahr, dass trotz des erfolgreichen Radentscheids in der Landeshauptstadt zu wenig vorangeht. Die Aufbruchsstimmung und Hoffnung auf eine schnelle Umsetzung des Radentscheids mit der rot-grünen Koalition im Stadtrat sind der Enttäuschung und Unzufriedenheit mit den konkreten Ergebnissen auf der Straße gewichen. Dass der Radverkehr jetzt stärker gefördert wird, erkennen die Münchner:innen dabei durchaus an, hier gibt es die größte Verbesserung (Note 3,3. 2018: 4,2), doch die vielen kleineren Optimierungen führen bei den Radfahrenden bislang nicht zum langersehnten Wow-Effekt. Dazu bräuchte es die Umsetzung des Radentscheids.

Dauerproblem: zu schmale und zugeparkte Radwege
Erschreckend: 71 Prozent der Befragten fühlen sich nicht sicher beim Radfahren in München. Sogar 89 Prozent der Teilnehmer:innen bemängeln die Breite der Radwege (Note 5,0). Extrem negative Bewertungen erhält die Landeshauptstadt auch diesmal wieder für die Kontrolle von Falschparker:innen auf Radwegen (Note 5,0), 83 Prozent beanstanden dies. Diese Punkte wurden schon im letzten ADFC-Fahrradklima-Test 2018 massiv bemängelt. Auch die schlecht abgestimmten Ampelschaltungen (Note 4,8) und die häufigen Konflikte mit Autofahrer:innen (Note 4,7) beklagen über 80 Prozent der teilnehmenden Münchner:innen weiterhin. Nach wie vor sind auch die oft unzumutbare Führung des Radverkehrs im Baustellenbereich (Note 4,5) und das unangenehme Fahren mitten im Kfz-Verkehr (Note 4,5) Kritikpunkte. Darüber hinaus fehlt es nach Ansicht der Radfahrenden immer noch an einem attraktiven Angebot zur Fahrradmitnahme im ÖPNV (Note 4,7). Positiv bewertet werden erneut das Angebot an Leihrädern (Note 2,4) und die vielen in Gegenrichtung befahrbaren Einbahnstraßen (Note 2,6).

Corona als Chance zur Verkehrswende?
Bei den Zusatzfragen zu „Radfahren & Corona“ kommt München mit der Note 2,96 immerhin auf Platz 2 bundesweit. Hier wird vor allem die während der Pandemie gestiegene Bedeutung des Rades (Note 2,3) sehr positiv bewertet, 84 Prozent der Teilnehmenden stimmen dieser Aussage zu. Zudem konnten die sechs temporär eingerichteten Pop-up-Radwege punkten (Note 3,0). 68 Prozent beurteilten diese kurzzeitig installierten Radwege als ein handfestes Signal für mehr Fahrradfreundlichkeit. Deren Abbau wurde daher in den Kommentaren auch sehr häufig kritisiert. Auch neue Rad-Ziele in der Umgebung entdecken die Münchner:innen in der Corona-Zeit für sich, 59 Prozent sehen das positiv. (Note 3,0).

Andreas Schön, 1. Vorsitzender des ADFC München: „Das Fahrrad boomt, im Straßenverkehr, im Handel und in den Medien. Aber da, wo es am dringendsten nötig ist, bei der Radinfrastruktur, geht es immer noch nur quälend langsam voran. München hat es versäumt, die Krise konsequent für den beschleunigten Ausbau der Radwege zu nutzen, wie das etwa Paris gemacht hat. Das Radwegenetz war schon vor der Pandemie nicht mehr zeitgemäß, deshalb verschärfen sich jetzt die Probleme. Und niemand weiß, wann die 40 Radentscheid-Maßnahmen endlich kommen.“
Und Schön ergänzt: „Dass schnelle Verbesserungen positiv bewertet werden, zeigt die Benotung der kurzzeitig vorhandenen Pop-up-Radwege. Die Menschen wollen sicher radeln! In der Corona-Zeit sind 20 Prozent mehr Menschen aufs Rad gestiegen. Sie machen auf den Straßen aber oft total frustrierende Erfahrungen.”  Andreas Schön fordert genervt: „Die Stadtspitze muss endlich die längst getroffenen politischen Entscheidungen konsequent umsetzen.“

Forderungen der Münchner:innen
Auch in den rund 1400 Kommentaren ärgern sich die Münchner Teilnehmer:innen des Fahrradklima-Tests massiv über die Missstände. Sie wünschen sich ein stadtweites, lückenloses, engmaschiges und gut ausgebautes Radverkehrsnetz, sichere Kreuzungen und Einmündungen sowie bedarfsgerechte Fahrradabstellmöglichkeiten und eine gerechte Aufteilung des öffentlichen Raums. „Radfahrende jeden Alters – vom Schulkind bis zu den Großeltern – sollen geschützt, zügig und entspannt unterwegs sein können“, erklärt Andreas Schön, „das ist unser Ziel.“

Kommentar 1:Es ist eigentlich alles gesagt: In München gibt es noch sooooo viel zu tun in Sachen Radverkehr. Ich kämpfe täglich mit zu schmalen Radwegen, die zugeparkt sind und dann plötzlich und unvermittelt enden. Durch Corona ist gefühlt die halbe Stadt aufs Rad umgestiegen, was ja prinzipiell eine schöne Entwicklung ist, aber dadurch platzt jetzt der eh schon knappe Radraum endgültig aus allen Nähten.“
Kommentar 2: „Ich wünsche mir eine Eindämmung der „Autokultur", die sich z.B. darin bemerkbar macht, dass AutofahrerInnen die Freiheit, Radfahrende und Räder zu behindern als nahezu selbstverständlich ansehen und entsprechend reagieren, wenn man sie auf ihr Fehlverhalten hinweist.“
Kommentar 3: „Als Familie mit kleinen Kindern, die selber Fahrrad fahren, liegen die Nerven blank. Es ist zu gefährlich. Wir fahren trotzdem, aber müssen krass aufmerksam sein. Wenn morgens alle Kinder weggebracht sind, bräuchte man erstmal eine Pause, stattdessen muss man in die Arbeit eilen.“
Kommentar 4: „München ist nach wie vor 100% auf Autofahrer ausgerichtet und von Autofahrern dominiert. Aggressivität, Intoleranz und Ungeduld seitens der Autofahrer führen oft zu richtig gefährlichen Situationen für Radfahrer.“

Rekord: Rund 230.000 Teilnahmen, 1024 Städte in der Wertung
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit. Er wird vom Fahrrad-Club ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt und fand 2020 zum neunten Mal statt. Rund 230.000 Radfahrerinnen und Radfahrer haben bei diesem Durchgang abgestimmt, davon nur 15 Prozent ADFC-Mitglieder. 1024 Städte kamen in die Wertung, mehr als jemals zuvor. Bei den 27 Fragen ging es darum, ob man sich auf dem Rad sicher fühlt, wie gut die Radwege sind und ob die Stadt in Zeiten von Corona das Fahrradfahren besonders fördert. Damit fundierte Ergebnisse erzielt werden, müssen pro Stadt mindestens 50, bei größeren Städten mindestens 75 beziehungsweise 100 Abstimmungsergebnisse vorliegen. Die Ergebnisse des Tests haben durch die breite Bürgerbeteiligung hohe Aussagekraft und können Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt zu verbessern.

Die detaillierten Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2020 finden Sie auf www.fahrradklima-test.adfc.de. Die digitale Pressemappe gibt es auf www.adfc.de/presse.

Hier finden Sie die Ergebnisse für den Landkreis München
Die Aufzeichnung der Pressekonferenz gibt es im Youtube Channel des ADFC Bayern

Diese Presseinformation des ADFC München und weitere Meldungen des Kreisverbands gibt es online in unserem Pressebereich.

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Fotos: ADFC

Über den ADFC
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 200.000 Mitgliedern, davon mehr als 30.000 in Bayern und 8.500 in München, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik und Tourismus. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs.

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